Golem über das Tosca Project
Golem, das deutschsprachige Onlinemagazin für Themen aus Informationstechnik, Wissenschaft, Technik und Elektrofahrzeugen, veröffentlichte am 07.12.2021 einen Beitrag zum Tosca Projekt und die gewonnene Nichtigkeitsklage gegen Microsoft um ein Software-Patent vor dem BGH. Das Patent beschreibt Grundlagentechnik und könnte zahlreiche weitere Cloud-Anbieter betreffen – ein Beitrag von Stefan Krempl:
Uraltpatent könnte Microsoft Millionen kosten
Ein aktuelles Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bestätigt ein Softwarepatent. Das könnte große Auswirkungen haben, denn es geht um einen zeitlich befristeten Monopolanspruch auf bestimmte Formen der sicheren Online-Datenübertragung. Diese sind wichtig etwa für das Cloud Computing. Betroffen ist zunächst in erster Linie Microsoft, das in dem Fall vor dem BGH verloren hat. Das Urteil könnte aber auch Folgen für Konzerne wie IBM, Cisco, Huawei und Siemens haben.
Nach geltendem Recht darf es in Europa eigentlich keine reinen Softwarepatente geben. Das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) schließt „Programme für Datenverarbeitungsanlagen“ beziehungsweise Software „als solche“ in Artikel 52 von der Patentierbarkeit aus, da es sich dabei nicht um technische Erfindungen handle. Dies hindert aber weder das Europäische Patentamt (EPA) noch höchste Bundesgerichte daran, entsprechende gewerbliche Schutzansprüche zu vergeben beziehungsweise aufrechtzuerhalten.
Das Schutzrecht verletzt jeder, „der dynamische Web-Inhalte schafft“
Grundlage des Urteils ist das vom Europäischen Patentamt 2006 vergebene europäische Patent mit der Nummer 1126674. Dieses hat das Big-Data-Unternehmen Ravenpack im Jahr 2000 für den Deutschamerikaner Karl Otto alias Hardy Schloer angemeldet. Es dreht sich um ein „Verfahren und eine Vorrichtung zur Darstellung und zur Bereitstellung von Daten für den Nutzer eines Netzwerks“.
Laut dem Münchner Unternehmen Patentpool Group, von dem Ravenpack stammt, umfasst das gewerbliche Schutzrecht eine „bahnbrechende“, unter dem Aufhänger „Projekt Tosca“ vorangetriebene „technische Lehre“.
Diese habe „unterschiedliche Konzepte des frühen Internets“ und des heutigen Cloud Computing „überhaupt erst möglich gemacht“. Abgedeckt würden „eine sichere Datenkommunikation sowie das serverseitige Erstellen von Webseiten“. Den Schutzanspruch auf die von Schloer erfundene „dynamische IT-Systemarchitektur“ verletze letztlich jeder, „der dynamische Web-Inhalte schafft“ – das ist aber wiederum ein Grundbaustein eigentlich jeder modernen Webanwendung.
Google, IBM, Cisco, Huawei und Siemens könnten folgen
Der Kreis derjenigen, die gegen das Patent verstoßen, dürfte damit groß sein. Die Patentpool-Gruppe zählt dazu zunächst vor allem Microsoft. Der US-Konzern hat ihr zufolge seinen Cloud-Dienst Azure mit einer Technologie-Erklärung beworben, die just den Zeichnungen des umstrittenen Patents entsprochen habe.
Zu weiteren potenziellen Patentverletzern gehören laut der Mischung aus Startup-Brutkasten und Verwertungsfirma gewerblicher Schutzrechte unter anderem IBM, Cisco, Huawei und Siemens.
Doch im Web wird heutzutage in der Regel jedes größere Portal mit dynamischen Inhalten bestückt, teils jeder Artikelabruf auf diese Weise generiert. Statische HTML-Seiten gibt es kaum mehr im kommerziellen Bereich. So könnten jenseits der aufgeführten IT-Riesen prinzipiell alle mit aktueller Webtechnologie arbeitenden Content-Anbieter sowie Cloud-Dienstleister betroffen sein.
Das Patent ist 2020 zwar ausgelaufen, so dass keine neuen Lizenzgebühren mehr fällig werden. Zu Patentpool gehörende Firmen könnten aber Schadensersatzansprüche bis zu zehn Jahre rückwirkend geltend machen. Und mit dem aktuellen Urteil gegen Microsoft im Rücken soll das Software-Patent wohl weiter durchgesetzt werden.
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