Deutschland und die Förderung Künstlicher Intelligenz

Dr. Heiner Pollert | 03.12.2019 | Patentpool Group , Prisma Analytics

Längst ist der globale Wettbewerb um Innovationen bei der Künstlichen Intelligenz (KI) entbrannt. Im weltweiten Vergleich liegen die USA in Führung, dicht gefolgt von China. Auch in Israel und Kanada läuft die Forschung auf Hochtouren. Deutschland soll in dieser Welt ebenfalls eine führende Position einnehmen, so die Zielsetzung von Bundesbildungsministerin Anja Karliczek. Zwar genießt Deutschland international einen guten Ruf als Wegbereiter und Förderer von Innovationen und Unternehmen. Deutsche Produkte stehen für Qualität, Stabilität und Verlässlichkeit. Diesen Standard weiterhin aufrechtzuerhalten, erfordert neben Engagement und Leistung aber auch ausreichendes Kapital.

Ähnlich verhält es sich auf dem Forschungsgebiet der Künstlichen Intelligenz, wo sich die Bundesregierung bei der Entwicklungsförderung und Marktetablierung bisher zu sehr zurückgehalten hat. Die nun auf sechs Jahre ausgelegten Fördergelder von drei Milliarden Euro sind zwar ein Anfang, doch gezielte Unterstützung müsste wesentlich kurzfristiger erfolgen, damit wirkliche Fortschritte erreicht werden.

Deutschland muss sich bewusst machen: Auf einem so rasant wachsenden Feld wie der Künstlichen Intelligenz gilt es, progressiv zu denken und zu handeln, andernfalls ist der Anschluss an die Konkurrenz bald verloren. Jetzt müssen Taten folgen – angefangen bei den heimischen KI-Pionier-Unternehmen – und nicht wie so häufig bei den großen Institutionen, welche ohnehin bereits von jedem Geldtopf der Bundesregierung zehren.

Es geht jetzt darum, neue und innovative Ideen von Nachwuchsunternehmen zu unterstützen und nicht darum, verkrustete Strukturen weiter und weiter zu finanzieren. Während in den USA bereits weit über 1000 Start-ups mit KI-Angeboten existieren, zählen wir 2019 in Deutschland gerade einmal 214, was schlichtweg daran liegt, dass sich im Ausland einfacher und unbürokratischer Wagniskapital finden lässt. Es ist höchste Zeit, dass bei uns nun etwas geschieht: Das Knowhow in der Anwendung muss weiter sowie effizienter gefördert werden und es sind ausreichend finanzielle Ressourcen zur Umsetzung – ohne bürokratische Hürden – notwendig.

Darüber hinaus spielt der gesellschaftliche Faktor eine wichtige Rolle. Künstliche Intelligenz gewinnt im öffentlichen Diskurs immer mehr an Bedeutung und die allgemeine Skepsis nimmt sukzessive ab. Der aktuelle Media Innovation Report, der in Zusammenarbeit mit Statista durchgeführt wurde, zeigt, dass 83 Prozent der Befragten sich vorstellen können mit Künstlicher Intelligenz in der einen oder anderen Form zu kommunizieren. Im Jahr 2018 konnten sich noch 58 Prozent eine solche Verständigung vorstellen. Trotzdem herrschen weiterhin diffuse Ängste hinsichtlich einer robotergeführten Zukunft, die es zu überwinden gilt.

Die Bevölkerung gezielt an das Thema heranzuführen, Offenheit gegenüber Künstlicher Intelligenz zu fördern und ihre Chancen aufzuzeigen, sind wichtige Aufgaben, die auch von der Politik erfasst werden müssen. Das Ziel der Bundesregierung, Deutschland als Vorreiter auf dem Gebiet der Künstlichen Intelligenz zu platzieren, ist ambitioniert, aber geradezu unrealistisch, wenn das Tempo nicht angezogen und kein Umdenken bei der Mittelverteilung eingeleitet wird. Mit den aktuell angestrebten Maßnahmen verhält es sich analog zum Klimapaket – zu langsam und zu wenig. So bleibt es allein Aufgabe der Unternehmen, Deutschland international als KI-Nation zu repräsentieren.

Fest steht: Je früher das Umdenken hierzulande erfolgt, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass Deutschland nicht auf halber Strecke den Anschluss verliert. Denn die Technologien der Künstlichen Intelligenz haben das Potenzial, Antworten auf die großen Fragen unserer Gesellschaft zu liefern – sei es beim Klimaschutz, in der Medizin oder auf dem Kapitalmarkt.

Quellen

ELEKTRONIKPRAXIS Nr. 23 28.11.2019