Dr. Heiner Pollert bei Springer Professional: Der Single Atom Transistor macht die EU Chip-unabhängiger

Mit dem Potenzial des Single Atom Transistors kann Europa seine Abhängigkeit von den globalen Microchip-Marktführern lösen und die ökologischen Kosten der digitalen Transformation reduziert werden.

Die Digitale Transformation wird das gesellschaftliche und wirtschaftliche Leben auf unserem Planeten mittel- bis langfristig komplett umkrempeln. Das enorme Potential, das sich der Menschheit durch die Digitalisierung aller Lebensbereiche eröffnet, wurde bisher durch eine Fokussierung auf die Halbleiter-Technologie und die dafür erforderlichen Material- und Energiebedarfe erkauft. Auf der Soll-Seite standen riskante wirtschaftliche Abhängigkeiten und überproportional steigende ökologische Folgekosten. Diese Missverhältnisse dauerhaft aufzulösen verspricht eine Innovation, die am Karlsruhe Institute of Technology (KIT) von Prof. Thomas Schimmel entwickelt wurde. Dr. Heiner Pollert, Geschäftsführer der Patentpool Group und der Single Atom Technologies GmbH, erläutert nachfolgend die technischen Besonderheiten von dem Single Atom Transistor und geht auf die wirtschaftliche Bedeutung dieser Zukunftstechnologie ein.

 

SAT – der „Einzelatomtransistor“ und seine Funktionsweise

Die Entwicklung des ersten integrierten Schaltkreises im Jahre 1958 bildete das Fundament für alle nachfolgenden digitalen Umwälzungen. Seitdem wurden Halbleiter-Schaltungen bis in den Nanometerbereich verkleinert, die Leistungsfähigkeit stieg entsprechend an. Nichtsdestotrotz hat diese Technologie systemische Grenzen und benötigt vergleichsweise viel Energie. Anschaulich wird diese Problematik, wenn man bedenkt, dass nach einer Untersuchung des MIT bis 2040 mehr elektrische Energie zum Betreiben von Mikrochips benötigt wird, als insgesamt weltweit produziert werden kann.

Der Single Atom Transistor bewegt den Schaltvorgang auf die kleinste darstellbare Größe – das einzelne Atom – und verbraucht dafür nur ca. 0,1 Prozent der Energie eines herkömmlichen Halbleiters. Zudem funktioniert der SAT bereits bei normaler Raumtemperatur und benötigt kein Silizium mehr, sondern begnügt sich mit normalem Metall. Folglich sinken direkter und indirekter Energiebedarf (für die Kühlung), Benutzersicherheit und ökologische Verträglichkeit steigen auch dank des Verzichts auf problematische Materialien deutlich an. Bis zur Serienreife ist zwar noch erhebliche Forschungs- und Entwicklungsarbeit nötig, in diesem Jahr starten aber bereits die Gespräche mit den Big Playern der Elektronikindustrie, um voraussichtlich 2030 die Produktion aufnehmen zu können. Der Vorteil dieser Technologie: Sie kann nicht mehr „überholt“ werden, da mit der Atomebene bereits die unterste Ebene der Miniaturisierung erreicht wurde.

 

Ein einziges Atom schaltet den Energie-Hunger der IT von Rot auf Grün

Die Europäische Kommission hat mit einer Umfrage herausgefunden, dass sich wohl bis 2030 die Nachfrage nach Mikrochips verdoppelt. Ob High-End-Computing oder IoT – die Vernetzung von Geräten auf allen Ebenen schreitet immer mehr voran. Die Digitale Transformation bietet der Menschheit auf dem Papier unendliche Optionen, den zahlreichen globalen Herausforderungen entgegentreten zu können. Dafür muss aber ihr Energiebedarf in den Griff bekommen werden. Weiterhin sind die globalen Mikrochip-Produktionskapazitäten noch deutlich zum Nachteil Europas verteilt – und entwickeln sich immer mehr zu potentiellen geopolitischen Hebeln. Beide Problembereiche lassen sich mit der Weiterentwicklung des SAT zur Serienreife im avisierten Zeitraum weitestgehend auflösen. Wenn durch die Bewegung eines einzelnen Atoms eine Schaltung zu einem Bruchteil des bisher nötigen Energieeinsatzes realisiert und auch die Materialfrage so ressourcenschonend wie benutzersicher beantwortet wird, kann sich das seit 2013 postulierte Konzept der Industrie 4.0 endlich zu einer echten Revolution ausweiten.

 

Zusammenfassung und Ausblick

In Kombination mit dem European Chips Act, auf den sich die EU Mitte April 2023 politisch verständigt hat, eröffnet die Erfindung und Weiterentwicklung des SAT zur Serienreife nicht nur ein enormes Potential zur umweltverträglichen und gesellschaftlich verträglichen Ausweitung der Digitalen Transformation. Gleichzeitig wird auch die wirtschaftliche Unabhängigkeit der Mitgliedstaaten der EU gestärkt. Wie wichtig es ist, sich wirtschaftlichen und politischen Erpressungsversuchen nicht beugen zu müssen, erleben wir gerade sehr deutlich.

Den Gastbeitrag von Dr. Heiner Pollert lesen Sie hier.